Tuesday 27 April 2010

Gott, Mensch, Glaube: Woran glaubten die Bulgaren im Mittelalter?

Die Frage Woran glauben die Menschen? interessiert mich nicht nur in Bezug auf das Mittelalter. Woran glaben die Menschen heute wäre aber Thema für eine andere Diskussion.


Jetzt möchte ich paar Jahrhunderte früher beginnen und ins Mittelalter zurückkehren. Ich möchte mich auf den mittelalterlichen Bulgaren konzentrieren. Ich glaube aber nicht, dass die Situation viel unterschiedlicher bei den ihm benachbarten Völkergruppen war...

Noch bevor das Christentum vom bulgarischen khan Boris I angenommen wird (863-865) spielt der Glaube eine wesentliche Rolle im Leben des mittelalterlichen Bulgaren. Er sucht Gott (was auch immer er unter dem Begriff "Gott" verstanden hat) überall, er sucht das Göttliche in allen Naturprozessen und -phänomenen und das bezieht sich nicht nur auf den durchschnittlichen Bulgaren sondern auch auf die Herrscher. Er suchte nach Vorsehungszeichen, die ihm zeigen, ob er auf dem richtigen Weg ist oder nicht. Das, was für ihn erstrangig war, war das Wissen: Handle ich richtig oder falsch? Werde ich für meine Taten belohnt oder bestraft? Aus diesem Grund gab es bei den heidnischen Bulgaren Schamanen, die die Verbindung zwischen dem einfachen Menschen und den göttlichen Kräften erstellten. Gerade diese erstrangige Position des Glaubens des mittelalterlichen Bulgaren war auch der Grund, warum es so wichtig für ihn war, dass der Ursprung des Herrschers als göttlich bewiesen wird. Und das wiederum erklärt, warum die Staatsideologie zu den damaligen Zeiten so war wie sie war: Staat, Religion, Gesetzgebung, Recht waren eins und waren in den Händen einer einzelnen Person - des Herrschers.

Warum glaubten aber die Menschen zu der Zeit so stark in diese göttlichen Kräfte? Die Antwort auf diese Frage ist ganz einfach: Sie brauchten es! Den ersten Grund habe ich schon erwähnt: Sie brauchten jemanden, der ihnen zeigt, ob sie auf dem richtigen Weg sind. Der zweite Grund (unmittelbar mit dem ersten verbunden) drückt sich in ihrer Angst aus. Zum Einen ist das die Angst vor der unkontrollierbaren Natur, zum Anderen - die Angst vor einer fremden Herrschaft. Die unruhigen Zeiten, zu denen Eroberung und Unterwerfung, Siege und Niederlage eine eher häufige Erscheinung für den mittelalterlichen Menschen waren, bestimmten sein Bedürfnis etwas bzw. jemanden zu haben, zu dem sie auch beten können. Bei den Naturprozessen war es genau so. Sie wussten nicht, was sie erwartet. Sie konnten bestimmte Naturprozesse (Erdbeben, Sturm usw.) nicht vorhersagen und das führte zu Unsicherheit und Hilflosigkeit. Und was macht man, wenn man sich hilflos und unsicher fühlt? Wenn niemand sicher stellen kann, dass es einem gut gehen wird und alles in Ordnung sein wird? Wenn man niemanden hat, der all das versprechen kann? Ganz einfach - man schafft diesen "jemanden" selber!

Also, zurück zu der ursprünglichen Frage: Woran glaubte der Mensch in der damaligen Zeit? Glaube - ja! An wen oder was? Sicherlich nicht an sich selber! Glaube an jemanden anderen, etwas anderes, das außer ihm steht - an den Herrscher göttlichen Ursprungs, an irgendwelche göttlichen Kräfte...aber sicherlich nicht an sich selber! Man verlässt sich auf die Hinweise, die das Göttliche (egal in welcher Form und Gestalt) gibt und richtet seinen Weg und sein Leben danach.

Wäre es übertrieben von "AAA" im Mittelalter zu reden - Angst, Abhängigkeit, Anbetung?

9 comments:

Stefan Schaak said...

so ist "glaube" deinen ausführungen nach eine menschliche, allzumenschliche reaktion auf das eigene "ich verstehe nicht", um die angst davor loszuwerden?

Stefan Schaak said...

dazu eine interessante trennung zwischen "erfindung" und "entdeckung" von Osho:
„Es ist absolut notwendig, dass Gott tot sein muss. Aber ich möchte, dass ihr meine Auffassung kennt: Es war gut von Friedrich Nietzsche, Gott für tot zu erklären – ich aber sage, dass er überhaupt nie auf die Welt gekommen ist. Er ist eine Geschichte, eine Erfindung: keine Entdeckung. Versteht ihr den Unterschied zwischen einer Erfindung und einer Entdeckung? Eine Entdeckung hat mit der Wirklichkeit zu tun; eine Erfindung dagegen ist von euch fabriziert worden. Es ist eine vom Menschen fabrizierte Geschichte. Natürlich spendet sie Trost, aber Trost ist nicht das Richtige! Trost ist Opium. Er bewirkt, dass ihr euch der Wirklichkeit weiterhin nicht bewusst werdet, und das Leben fließt so schnell an euch vorbei – die siebzig Jahre werden bald vorüber sein. Jeder, der euch ein Glaubenssystem verkauft, ist euer Feind, denn das Glaubenssystem wird zu einer Barriere für eure Augen, ihr könnt die Wirklichkeit nicht sehen. Selbst der Wunsch, die Wahrheit zu finden, verschwindet. Aber am Anfang ist es bitter, wenn euch alle eure Glaubenssysteme weggenommen werden. Die Angst und Furcht, die ihr seit Jahrtausenden unterdrückt, die aber noch da ist, sehr lebendig ist, wird sofort wieder an die Oberfläche treten. Kein Gott kann sie zerstören, nur die Suche nach der Wirklichkeit und die Erfahrung der Wirklichkeit – nicht ein Glaube – kann alle eure Wunden heilen, euch zu ganzen Wesen machen. Und für mich ist der ganze Mensch der heilige Mensch.“
Osho, God is Dead, Now Zen is the Only Living Truth

Liliya Slavskaya-Arendar said...

I wonder...
Glaubt man, nur wenn man Angst hat?

Stefan Schaak said...

mit dem Glauben ist es für mich wie mit allem handeln des menschen...
es kann aus einer haltung der liebe oder aus einer haltung der angst geschehen.
von außen kann man das manchmal gar nicht unterscheiden und jeder der glaubt kann sehr wohl und fein unterscheiden, ob er ängstlich glaubt oder ob er liebend glaubt.

Children of Boredom said...

hmmm,

Osho....auch nicht schlecht.

Aber der scheint ja mal Nietzsche komplett falsch verstanden zu haben und nicht zu wissen woher Nietzsche das hat bzw worauf sich Nietzsche da bezieht.

Und was soll das bitteschön mit der "Wirklichkeit"? Im Rahmen des Konstruktivismus ist sie selbst erfunden. Die Dinge erscheinen uns nicht so wie sie sind, sondern als Abbild dessen, was wir da reininterpretieren. Aber wahrscheinlich war ihm Kant auch ein wenig zu hoch oder hat nicht in seine "Weltinterpration" gepasst.

Wie wäre es wenn mann "Glaube" als emotionales Depot in dem Zorn, Angst, Liebe, (Ohn-)Macht, etc kontingent sind?

Da halte ich es eher mir Ron L. Hubbard. Ein jeder ein Titan und "Clear the World!" Haha, just kiddin

Liliya Slavskaya-Arendar said...

"Wie wäre es wenn mann "Glaube" als emotionales Depot in dem Zorn, Angst, Liebe, (Ohn-)Macht, etc kontingent sind?"

ja, glaube ist ja manchmal ein emotionales depot!...wenn aus angst glaubt!

Children of Boredom said...

Denkst Du das Angst allein ausreicht?
Das liefe ja dann auf eine kollektive Psychose hinaus...:-/
Damit würde man "Glauben" an sich etwas positives absprechen. Ich denke das Spektrum reicht vom zornigen bis zum liebenden Gott, wenn wir vom monotheismus sprechen. Wie sieht es denn mit Naturreligionen aus? Auch nur Glaube aus Angst oder Glaube aus der Erfahrung des Erhabenen/mystischen?

Wie verhält es sich denn mit Glaube als Überwindung der Gewalt und Verarbeitung der Gewalt?

Ich denke eher "Glaube/Religion" sind sinnstiftend, sei es aus Angst,Orientierungslosigkeit etc

Stefan Schaak said...

ach ja und an die "kinders von die langeweile"

"Die Dinge erscheinen uns nicht so wie sie sind, sondern als Abbild dessen, was wir da reininterpretieren."

das ist von dir nur ein halbherziger konstruktivismus! :) es gibt nichts in das du HINEIN interpretieren könntest! konstruiert heißt nicht "künstlich vs. natürlich" - ich bevorzuge den begriff "schöpfertum" - der mensch erschafft realität - das konstruierte ist das reale!

so! da hasse! :)

Children of Boredom said...

oh,oh,osho....Zen ick höre Dir trapsen!:-D

Ist halt wie mit Schrödingers Katze: Ist sie tot, lebt sie oder gar beides gleichzeitig?

Angenommen, es hätte jeder eine Schachtel, darin wäre etwas, was wir "Wirklichkeit" nennen. Niemand kann je in die Schachtel des Anderen schauen, und jeder sagt, er wisse nur vom Anblick seiner Wirklichkeit, was die Wirklichkeit ist. Ja man könnte sich vorstellen, dass sich ein solches "Ding" fortwährend veränderte. Aber wenn nun das Wort "Wirklichkeit" dieser Leute doch einen Gebrauch hätte? So wäre er nicht der der Bezeichnung des "Dings".

Problematisch wird es nur, wenn einer sagt: Ich habe eure Worte der "Wirklichkeit" vernommen und meine Wirklichkeit ist wie eure, ihr beschreibt sie nur falsch, macht euch von all euren Beschreibungen frei, dann habt ihr meine Wirklichkeit.

Genauso wie Du, glaube ich auch, das das was wir "Welt,Universum,Wirklichkeit, whatever" nennen schön ist und wir mit dem eins sein sollten. Dennoch möchte ich, das das wie wir es auch nennen wollen, ein "Unbeschreibares, Unbennenbares" bleibt. Für mich persönlich ist es nur wichtig dieses Gefühl zu haben, das da mehr ist, wie endlich und nichtig vieles sein kann,aber auch schön, be-Wundern-swert, verbunden, etc., es sein kann.

Luka aka der halbherzige Konstruktivist:-D, :-*