Tuesday 28 September 2010

Zum ersten Mal seit 5 Jahren verbringe ich 2 ganze Monate auf dem Balkan: Ich habe meine Zeit in 2 Balkanländern verbracht, war an der bulgarischen Grenze mit 4 von insgesamt 5 Grenzländern. Ich hatte Zeit, in verschiedenen Regionen und an sehr unterschiedlichen voneinander Orten zu verweilen und dementsprechend mich mit mannigfaltigen Menschen zu unterhalten und mit ihnen Zeit zu verbringen. Ich habe viel beobachtet.

Nichts ist besser als die Praxis!

Und wenn man noch die "Theorie" davor kennt, dann kann man besser in die Sachen"sehen". Von daher kann ich zu meinen Überlegungen zum Thema "Sense of the Balkans" noch das hinzufügen, dass das "sensen" noch besser ist, wenn man schon etwas über das Objekt seiner Untersuchung weiß. Ein Beispiel: Ich war vor paar Tagen an einem Ort (Beglik Tash), über den ich nur wusste, dass da eine heilige Stätte der Thraken ist, wo heidnische Zeremonien und Rituale von den Thraken durchgeführt worden sind. Später habe ich mich noch weiter in die Geschichte dieser Stätte reingelesen.


Jede weitere Information führt dich mehr und mehr zu dem "Sensen".

Wenn man allerdings nur den Ort besucht und nichts darüber weiß, dann wird man bloß von den riesigen Steinen verblüfft sein und....das war's! Also, man braucht etwas mehr, um das Wesen dieser Erscheinung zu "sensen".


Ich habe mir jetzt die Tage überlegt, was ich in einem Jahr machen will. Einiges steht schon fest:


1. Ich will weiter "sensen".
2. Ich will die Gelegenheit haben, in der Praxis der Beschäftigung mit meinem Balkan weiter zu bleiben.
3. Ich will die Menschen innerhalb sowie außerhalb des Balkans weiter "sensen" (gibt es überhaupt so was wie "innerhalb/außerhalb des Balkans"?) und die Verbindung zwischen ihnen möglich machen.

Denn zu "sensen" ist die Mühen und den Aufwand wert. So ist auch der Balkan.

Saturday 17 July 2010

"Sense"?



Ich hatte mir am Anfang meines Blogs gedacht, "Liliya, schreib mal etwas darüber, was du mit SENSE OF THE BALKANS meinst"! Ihr wisst ja - wenn man beginnt eine wissenschaftliche Arbeit zu schreiben, muss man zu Beginn die Begrifflichkeit erläutern.

Ich habe es nicht gemacht.

Ich wusste, dass ich irgendwann auch etwas dazu schreiben würde. Allerdings erst dann, wenn die Zeit dafür gekommen ist. Das spürt man...das sense-t man.

Das SENSE OF THE BALKANS ist...na ja, den Satz kann ich nicht bis zum Ende führen. Es gibt keine Definition. Denn es ist einfach nur pur sense. Nichts anderes. Kein Satz, kein Wort. Nach dem ist kommen nur die drei Punkte... Und dann kommt dein Gedanke, dein Gefühl, deine vibes.

Den aktuellen Beitrag schreibe ich nicht, um zu erklären was SENSE OF THE BALKANS ist. Ich schreibe ihn nur um aufzuzeigen, dass SENSE OF THE BALKANS unerklärbar ist.

SENSE OF THE BALKANS ist leidenschaftlich, unlogisch und chaotisch unerklärbar!

Es tut mir manchmal leid.
Es tut mir leid, dass ich das niemandem erklären oder zeigen kann.
Es tut mir leid, dass ich es nicht vorlesen oder vortragen kann.
Es tut mir leid, dass ich es niemandem beibringen kann.
Manchmal.

In meinem Herzen weiß ich aber, dass ich das auch nicht machen will.

Manche Sachen müssen aus dem Inneren des Herzens und der Tiefe der Seele hervorquellen.

SENSE OF THE BALKANS ist wie ein Orgasmus - ich kann es nicht für dich spüren. Nur du - mit deinem Körper und in deinem Kopf - kannst ihn erleben.

SENSE OF THE BALKANS ist etwas Persönliches.

Man braucht den Balkan nicht zu verstehen.
Man braucht ihn zu grok-en.
Grok ist eines meiner Lieblingswörter. Ich benutze es allerdings nicht oft, denn ich habe Angst, das sense, das für mich in diesem Wort steckt, würde mit der Zeit ausblenden, wenn ich es zu oft verwenden würde.

Aber grok ist ein herrliches Wort. Das Wort stammt aus dem Roman Stranger in a Strange Land von Robert A. Heinlein. Ein Auszug aus dem Roman:

Grok means to understand so thoroughly that the observer becomes a part of the observed — to merge, blend, intermarry, lose identity in group experience. It means almost everything that we mean by religion, philosophy, and science—and it means as little to us (because of our Earthly assumptions) as color means to a blind man.

It is just a sense...

Monday 28 June 2010

In The Rhythm of Vuvuzelas and Jabulanis!

Der Balkan ist raus aus der WM-2010! Denkt aber nicht, dass das WM-Fieber den Balkan schon losgelassen hat! Ganz im Gegenteil!

Das beste Beispiel liefert der neueste čalga-Hit in Bulgarien (mehr zum čalga-Begriff ist hier zu finden: http://de.wikipedia.org/wiki/Popfolk). Der Song trägt den Fußball-inspirierenden Namen Jabulani kyuček. Und damit ihr einen unmittelbaren Eindruck von diesem bezaubernden musikalischen Kunststück kriegt, bitte ich euch jetzt eure Aufmerksamkeit auf den Song sowie auf das Video zu lenken:







Bulgarien ist zwar Lichtjahre entfernt von dem südafrikanischen WM-Drama, das heißt aber lange nicht, dass es daran seelisch und emotional nicht beteiligt ist. Dies wird vor allem vom Text dieses entzückenden Lieds bewiesen. Schauen wir uns diese inhaltsreichen Zeilen kurz an!

Das Leitmotiv lautet:

Футболисти, капитани, (Fußballspieler, Kapitäne)

Всички друсат джабулани,(Alle schütteln jabulani)

Джабулани кючек! (jabulani kyuček)


So verbindet der "sich schüttelnde" Balkan das aktuelle WM-Drama mit einem der bekanntesten orientalischen Musikstile - dem kyuček. Für diejenigen, die mit den interneren Informationen über die WM nicht besonders vertraut sind, muss noch gesagt werden, dass jabulani der offizielle Spielball der diesjährigen WM ist.





Unser großer Hit geht dann weiter:

Джа-джа-джабулани джабулани,(Ja-ja-jabulani jabulani)

Джа-джа-джабулани джабулани,(Ja-ja-jabulani jabulani)

Джабулани - Путко Мафани. (Jabulani - Putco Mafani)


Auf den ersten Blick gibt es in den oben zitierten Zeilen nichts besonderes...solange man die Frage Wer ist denn Putco Mafani? nicht stellt. Und hier kommt das große HA-HA-HA!, das von jedem Bulgaren zu hören ist, wenn man den Namen Putco Mafani hört. Erstmal zur Person:


Putco Mafani arbeitet zur Zeit zusammen mit dem bekanntesten bulgarischen Fußballspieler Hristo Stoichkov. Stoichkov ist zur Zeit Trainer im südafrikanischen Fußballklub Mamelodi Sundowns - einem der erfolgreichsten Fußballklubs in Südafrika. Der exotische Putco Mafani wurde Anfang des Jahres als Chef der Pressestelle von Mamelodi Sundowns eingestellt. In den Medien in Bulgarien wird er in letzter Zeit als die Stimme von Hristo Stoichkov bezeichnet.


Was war aber die Reaktion von Stoichkov als er erfahren hat wie seine neue "Stimme" heißt. Im für Stoichkov typischen schadenfrohen Stil hat er folgende Aussage vor den Medien gemacht: "Какво е туй име, бре?! Путко Мафани. Ще го фана аз него! Майка му и баща му, ако знаеха как се превежда името му на български, едва ли щяха да го кръстят така!" ("Was ist das denn für einen Namen? Putco Mafani. Ich packe ihn! Wenn seine Eltern gewusst hätten was sein Name auf Bulgarisch bedeutet, hätten sie ihm diesen Namen nicht gegeben!" - Übersetzung durch die Autorin des Blogs)


!Nicht-unter-18-Zeichen-setzen! *ding-dong*!

"путко" (putko) - auf Bulgarisch die Anredeform für "Fotze"

"ма фани" [ma fani] - die Jargonaussprache von "ме хвани", was auf Bulgarisch "pack mich" bedeutet


Soll ich mit der Namensübersetzung weiter machen?


Zwei interessante Fakten:

  • In Bulgarien wird es in den Medien vermieden den Namen von Putco Mafani auf kyrillisch zu schreiben.
  • Vor paar Tagen erschien in den Medien die Information, dass Putco Mafani von seinem vorigen Fußballklub wegen Sex-Skandale gefeuert worden ist. Für die Bulgaren jedoch ist das nicht besonders erstaunlich. Letztendlich trägt er sein Schicksal in seinem Namen...

Schauen wir wie es weiter mit unserem Hit geht:

Я надуйте вувузели, (Blast die vuvuzelas auf)

Зяпат всичките газели, (Da gaffen alle Gazellen)

Стига, стига краде жица, (Hör auf Draht zu klauen)

Пускай, пускай сателита. (Mach den Satellit an!)


An diesen Zeilen erkennt man zum Einen wie bekannt auch in Bulgarien die schon auf die Nerven gehenden vuvuzelas sind. Zum Anderen wird ein anderes Thema angesprochen, das in Bulgarien seit langem an Medienbedeutung gewonnen hat: der Diebstahl von Draht. Zigeuner...*hust hust*...Entschuldigung, Vertreter der Roma-Bevölkerung klauen Draht um ihn dann zu verkaufen und Geld dafür zu kriegen. Dieses Thema wurde in Bulgarien deswegen so populär, weil diese Praxis vielen Menschen die Stromversorgung gekostet hat.


Als Letztes lässt sich auch etwas zu den Autoren dieses Mega-Hits sagen:

Diese Fußballhymne war der Anlass für die Gründung der Gruppe, die den exotischen Namen Козел Вувузел (Ziegenbock Vuvuzel, ausgesprochen wie folgend: [kozel vuvuzel]) trägt.


So, jetzt bin ich mir sicher, dass ihr auf dem Laufenden in den aktuellsten WM-Balkanangelegenheiten seid! Und ich widme mich endlich dem "Schütteln" von WM-kyučeks! :P





Thursday 17 June 2010

Ach, dieser Nationalismus!


Nationalisten, Nationalisten, Nationalisten!...blablabla...alle Nationalisten!

Alles wird nach dem "nationalistischen" Kriterium geprüft:
Ist diese Tat jetzt nationalistisch? Und was ist mit diesem Symbol? Und dieses Zeichen-chen-lein-chen hier? Ach, das geht gar nicht! Milan Stanković ist blond und die Füße des Adlers auf dem serbischen Wappen sind gelb! Neeee, das ist doch nationalistisch!

Ja, so ist es - alles nationalistisch, alta!

Ich komme aus Bulgarien. Da ist das Thema Nationalismus nicht besonders populär.
Ich lebe seit fast 6 Jahren in Deutschland. Hier ist das Thema sehr aktuell.
Ich habe einiges mit Serbien zu tun. Da ist das Thema auch ziemlich verbreitet, allerdings nicht auf die gleiche Art und Weise wie in Deutschland.
Alle drei der oben genannten Einstellungen und Stimmungen kenne ich. Und alle Erfahrungen, die ich mit diesen drei Ländern in Bezug auf the-hot-topic Nationalismus bis jetzt gemacht habe, haben mich bestimmt beeinflusst. Daraus hat sich eine persönliche Einstellung zu diesem Thema bei mir herausgebildet, die einer als gut, anderer als schlecht einschätzen würde. Mir ist es aber im Großen und Ganzen...schei*egal!

Dazu zwei Fragen, liebe(r) Leser(in), die ich gerne an dein Gehirn richten möchte. Nicht an deinen Mund sondern an dein Gehirn. Ich suche keine Antworten, auch keine Feedbacks, ich strebe nach deiner individuellen Reflektion...

1. Ist Nationalismus wirklich so schlimm?

Ja, wenn wir jetzt eine Arkan-Armee bilden würden oder Hitler aus dem Grab wieder rausnehmen würden, dann würde das nicht besonders friedlich gemeint sein! Wo ist aber die Grenze des Nationalistischen? Wo fängt es an und wo endet es? Du hörst "Ovo sećanje, ruši meni sve..." und reagierst sofort Ach! Wie nationalistisch!. Ja, natüüüüürlich, denn...warte, ich möchte einen tiefen Atemzug nehmen bevor ich die nächste Anreihung von Wörtern bilde, denn das wird eine laaange Erklärung sein...also: denn das Lied wird von Ceca gesungen und Ceca war die Ehefrau von Željko Ražnatović-Arkan...und er war ein böser, böser Serbe, der viel Mist gegenüber anderen ex-jugoslawischen Völkern gebaut hat...und er ist schon tot...aber trotzdem ist Ceca sein geheimes Waffen und...ahaaaa - sie singt von Belgrad, die Hauptstadt von Serbien (Wie nationalistisch ist das denn!)...und sie will wahrscheinlich seine Tätigkeit zumindest in den Herzen der Serben fortsetzen und...ooo, warte! Wahrscheinlich betreibt sie da Gehirnwäsche!...bla...bla..bla...

War die Geschichte nationalistisch?
Bis zur welchen Stelle war sie "normal? Und ab welcher Stelle fing das Nationalistische an?
Ich suche keine Antworten, auch keine Feedbacks...

Ich komme mit meiner eigenen Meinung und These. Diese werde ich jedoch auf keine einzige Art und Weise zu belegen versuchen. Ich will es nicht. Also:

Das Nationalistische schadet nicht. Solange das Nationalistische für eine gesunde patriotistische Stimmung im Volk sorgt, die keinem anderen Volk und keiner ethnischen Gruppe etwas Böses angetan hat, ist das Nationalistische gut. Und zwar nicht einfach gut, es ist wünschenswert.

Denn das so genannte "Nationalistische" würde dem so gelobten Globarisierungsprozess zumindest ein bisschen die Bremsen setzen. Es wird dafür sorgen, dass die Geschichte des eigenen Volks nicht vergessen wird. (Ach, ist das jetzt auch nationalistisch?) Es wird dazu beitragen, dass das jeweilige Volk bzw. ethnische Gruppe seine bzw. ihre Zugehörigkeit zu sich selber nicht aus dem Blick (und der Wahnehmung!) verliert. Das ist genau so wie bei der Geschlechterdarstellung - ich bin eine Frau. Ja, ich zeige, dass ich eine Frau bin. Wenigstens aus dem Grund, dass ich kein Mann bin. (Ach, bin ich jetzt feministisch?)

Ich und Freunde von mir gucken uns morgen das Spiel Serbien-Deutschland mit serbischen Flaggen auf dem Rücken an. Ich bin Bulgarin. Sie sind Serben. Wäre es nationalistisch, wenn sie mit der serbischen Flagge da herumlaufen? Und wäre es nationalistisch, wenn ich als Bulgarin das mache?
Ich suche keine Antworten, auch keine Feedbacks...

2. Warum beschäftigst du dich überhaupt damit?

Das Nationalistische bei jedem zweiten Schritt in deinem Leben zu analysieren...wie geil ist das denn!

Macht das so viel Spaß? Oder willst du jemanden ertappen und Ahaaa, jetzt hab ich dich! (hier würde ich gerne diesen "jemanden" spielen und dir dann sagen: Ja und? Was machst du jetzt mit mir?). Ich frage mich schon seit einiger Zeit - was treibt die Menschen dazu, sich mit Nationalismus zu beschäftigen? Versteht mich nicht falsch: Über Nationalismus informiert zu sein, sich damit eine Weile (e-i-n-e W-e-i-l-e!) beschäftigt zu haben, sich ab und zu darüber zu unterhalten ist ja gar nicht schlimm! Dass aber dein Gehirn ständig auf diesen Schienen fährt...?

Die Suche nach dem Nationalistischen hier und da, der Zweifel, dass etwas ein nationalistisches Zeichen sein könnte, scheint mir genau so doof zu sein wie der Zweifel einer Mutter, dass ihre Tochter Drogen nimmt, nur weil sie eines Abends nicht um 22Uhr wie versprochen sondern um 22.30Uhr nach Hause gekommen ist...

Ich suche keine Antworten, auch keine Feedbacks...


P.S. Bin ich nationalistisch, wenn ich all das geschrieben habe?

Monday 17 May 2010

Sense of...Music



What does one feel when hearing those sounds?
What does a heart experience when surrendering to the undescribable beauty of the three-or more-polyphonic-singing - the specific singing in which one or two voices build the melody while other hold the monotonic double or treble tone? The so called technique of "shouting out" (извикване), the "chain-breathing"...?

The nature of that singing has its own logic. And the beauty of this logic is to be found in the numerous ways in which you could interpret it:
  • The "chain-breathing" in which all voices strive for the attaining of the effect of "as-though-we-don't-have-the-need-of-taking-a-breath": The principle which builds the basis of this technique is the so called "breathe-when-your-neighbour-is-not-breathing". Yes, you do contribute with your individual voice to the building of the beautiful unity called song but you have to think as a part of the whole - as a part of one common brain.
  • The building of polyphony - the art of holding on to your melody not allowing the other voices to pull you off your melody path: The art of following your own guideline and still contributing to the building of a common magnificently sounding masterpiece...
  • The polyphony which rests on the setting of voice layers: Some voices build the main melody, others, in contrast, play kind of a "supporting" role. To know that you're not playing the main role and that you only grant the supporting basis which would help building a gorgeous monument of sounds and tones letting others be the "heroes" of the song. Because you are conscious enough of the fact that playing - at first sight - the minor part, you actually play a major one.

Does the average "western" listener associate it with something exotic, with wildness and primary nature? How does he perceive the irregular rhythms, the lodgement of voices - not being able to distinguish every single voice but perceiving them all as an inseparable whole?

No need for watching, just sinking into the perfectly harmonized voices...of the Balkans.

Melodies, tones and voices in which one can find history, culture, ethnic consciousness, common rhythm of life, religion...all locked up in one.

The art of understanding it can be hardly learned.
The art of feeling it can be at least given a try.

Monday 10 May 2010

Warum gerade in Bosnien?

Der christliche Balkan.
Die Islamisierung.
Warum gerade in Bosnien?

Warum haben wir heute ein muslimisches Land inmitten anderer christlicher Länder? Warum ist dieses Land im 15. Jahrhundert als eine fast ausschließlich christliche Region in die Grenzen des Osmanischen Reiches eingetreten und im 20. Jahrhundert - nach dem Verfall des Reiches - als hauptsächlich muslimisches Land auf der Karte Europas wieder aufgetaucht? Im 15. Jahrhundert ist ein Islamisierungsprozess auf diesem Territorium zu beobachten. Mitte des 16. Jahrhunderts ist schon ein Drittel der Bevölkerung muslimisch. Im 17. Jahrhundert sind die Muslime in Bosnien in der Überzahl. Was ist in dem Zeitraum 15.-20. Jahrhundert passiert? Als noch interessanter erweist sich außerdem die Frage: Warum hat sich der Islam gerade auf dem Territotium des heutigen Bosniens durchgesetzt, während die heutigen Bulgarien, Serbien, Griechenland christlich geblieben sind?

Hier einige Überlegungen dazu. Die Schlüsse kann jeder für sich ziehen...

Theorie 1:
Massensiedlungen von Muslimen aus dem Ausland

Gegenargument 1:
Diese Praxis gab es bei den Osmanen. Warum haben wir aber heute das auffallende Ergebnis nur in Bosnien und nicht in allen anderen Ländern, die unter der Herrschaft der Osmanen waren?

Theorie 2:
Zwangsweise Massenislamisierung der Bevölkerung

Gegenargument 2a:
Die analogische Frage: Warum gab es solche Zwangsbekehrungen dann nur in Bosnien? Oder - wenn wir davon ausgehen, dass eine solche Politik auf dem ganzen Balkan betrieben wurde - warum kehrten die anderen Länder dann zum Christentum zurück und die Bosnier nicht?

Gegenargument 2b:
Die osmanischen Steuerlisten (defter) zeugen davon, dass die Islamisierung langsam und allmählich verlief und nicht nur einer oder zwei Generationen bedurfte.

Theorie 3:
Massenkonversion von Mitgliedern der "bosnischen Kirche" (Bogomilen)

(Diese Theorie ist besonders beliebt, denn bei ihr passen einige wichtige Ereignisse sehr gut zusammen. Die Bogomilenbewegung stirbt aus und kurz danach kommt der Islam in Bosnien. Es wäre leicht anzunehmen, dass alle Bogomilen auf einmal zum Islam übergetreten sind. Wer weiß...wahrscheinlich war der Islam der neue Trend unter den "Sektierern"? :) )

Gegenargument 3a:
Die Bogomilenbewegung ist im 10. Jahrhundert in Bulgarien entstanden. Es war keine kleine Sekte sondern eine ernsthafte Bedrohung nicht nur für die Kirche sondern auch für die Herrscher. Warum hat sich die Geschichte in Bulgarien so entwickelt, dass die Bogomilenbewegung letzten Endes erloschen war und in Bosnien dagegen ganz anders - die Bogomulen konvertierten zum Islam?

Gegenargument 3b:
Es gibt zwei besonders beliebte Motive, die vor allem von Verfechtern der Bosniakentumsthese in den Vordergrund gerückt werden, um die Authentizität des Bosniakentums zu beweisen und klar festzulegen, dass die heutigen Bosniaken weder islamisierte Serben noch islamisierte Kroaten sind: das Motiv der "bosnischen Kirche" (Bogomilenthese) und das Motiv des islamischen Glaubens, den nicht mit Zwang von seinen heutigen Nachfahren angenommen wurde. Man könnte daher die These aufstellen, dass eine solche Theorie (die Massenkonversion von Bogomilen zum Islam) nur instrumentalisiert wird, um die oben erwähnte Authentizität des Bosniakentums zu legitimieren.

Theorie 4:
Die Christen sind zum Islam übergetreten, um finanzielle Privilegien zu genießen und Steuern nicht zu bezahlen

Gegenargument 4:
Die Nicht-Muslime im Osmanische Reich bezahlten Steuern. Zum Einen war die zu bezahlende Kopfsteuer für Christen nicht so hoch. Zum Anderen, die muslimische Bevölkerung musste auch Steuern bezahlen. Und diese waren auch nicht "günstiger"...

Bei vielen, vielen Theorien kann man das Gegenargument nach dem Modell "ja, aber warum ist in Bosnien eine andere Entwicklung zu beobachten als in anderen Ländern, die auch - manche sogar länger - unter osmanischer Herrschaft standen?".


Also...
Die "stärkste" bis jetzt These über den Übertritt zum Islam beruht auf der kirchlich-organisatorischen Situation auf dem Territorium des heutigen Bosniens. Es gab in Bosnien zwei, sogar drei - wenn man auch die "bosnische Kirche" dazu zählt - konkurrierende Kirchen. Keiner ist aber gelungen, eine stabil ausgebildetes Kirchensystem von Gemeinden, kirchlichen Gebäuden, Priestern usw. aufzubauen. Und keine von ihnen hat den Rang einer "Staatsreligion" erreicht. Alle Gebiete bedurften Priester. Es gab keine stabile Institution, die den Menschen "den richtigen Weg" zeigen konnte, zumindest nicht so überzeugend wie das in Serbien oder in Bulgarien der Fall war.

Und wenn man diese Instabilität des christlichen Kirchensystems mit der "muslimischen" Gestaltung der Großstädte in Bosnien in Verbindung setzt, dann könnte man besser die Anziehungskraft des Islam verstehen. In diesen Städten wurden Einrichtungen aufgebaut, die für Ausbildung (medresa), Freizeit (bezistan), Kultur usw. sorgten, allerdings in einem "islamic way".

Der christliche Balkan.
Die Islamisierung.
Aus diesen Gründen gerade in Bosnien...